Immer schön, wenn man in Fallen tappt, die man sich selbst gestellt hat. Per Definition bin ich ein Mann mittleren Alters, der ein altes Hobby wiederentdeckt. Das schreit nach Midlife-Crisis! WENN NICHT JETZT, WANN DANN? ICH HABE DOCH KEINE ZEIT MEHR!!1!11!!!1!!
Klassiker: Mit Mitte 40 kauft Mann ein Cabrio oder Motorrad. Aber an Autos habe ich tatsächlich wenig Interesse. Motorradführerschein durfte ich mit 17/18 nicht machen.
Als Teenie habe ich Ende des letzten Jahrtausends mal HTML gelernt. Das Internet war zwar noch blutjung, aber dafür nicht ganz so verdorben wie heute, und vor dem riesigen Röhrenmonitor mit dem winzigen Display erschloss sich mir eine neue, spannende Welt. An der ich teilhaben wollte, mittendrin sein, statt nur dabei: Eine private „Homepage“ folgte, später ein Diskussionsforum.
Vom Kartoffelkrieg
Aber während sich das Internet zu dem Moloch entwickelt hat, das es heute ist, wurde ich dort passiver, die aktiven Beiträge wurden seltener. Und ich hatte realisiert, dass so ein Forum und auch eine Website nicht mehr zu mir gepasst haben. Arbeitsintensiv und stressig. Fühlte sich nicht mehr richtig an. Sein Innerstes in irgendwelchen sozialen Medien für jedermann in sein Smartphone zu rotzen, erschließt sich mir heute nicht. Aber seien wir ehrlich: Genau das habe ich jahrelang selbst gemacht, nur halt auf anderen, „meinen“ eigenen Plattformen. Denen ich um 2010 den Stecker gezogen habe.
Über 15 Jahre später komme ich mir nun tatsächlich vor wie der alte weiße Mann, der Geschichten von vorm Kartoffelkrieg erzählt. Uff. Aber ich bin eigentlich niemand, der einem „Früher“ großartig hinterher trauert. Ich möchte echt nicht noch einmal 18 oder 25 sein.
Rückblendenhumor
Allerdings vermisse ich trotzdem zwei Sachen: Das Basteln an einer Website und das Schreiben. Ich habe zwar seit 2017 mit meiner Lebensabschnittsgefahr einen anderen Blog, der aber thematisch eindeutig festgelegt ist. Der ein Stück weit auch auf Publikum abzielt. Und damit genau das nicht ist, was ich gerne wieder hätte: Eine eigene Spielwiese im Internet für alle weiteren Themen.
Die damals tatsächlich mannigfaltig waren: Videospiel-, Film-, Musik- und Buch-Rezensionen, dazu eigene Kurzgeschichten* und gefühlt tausend andere Dinge. Sollte ich vielleicht das nicht nur in irgendwelchen Backups konservieren, sondern wieder hier platzieren?
Ich habe mir dann aber ein paar alte Texte aus den 00er Jahren durchgelesen und komme jetzt mit ein bis zwei Binsenweisheiten um die Ecke:
– Manche Dinge ändern sich nie. (Ich vergöttere weiterhin die unheilige Dreifaltigkeit meiner Jugend: Fight Club, Final Fantasy VII und Freak on a Leash.)
– Aber alles andere ändert sich.
Alles kann, nichts muss
Doch wenn ich noch derselbe Mensch wie damals wäre, hätte ich wahrscheinlich vieles in meinem Leben kolossal falsch gemacht. Und darum kommt Recyclen im großen Stil nicht infrage.
Vor allem würde das konträr zur aktuellen Prämisse laufen: Einfach machen. Vielleicht ist das dann wirklich ein Midlife-Crisis-Symptom. Keinen Bock auf Kompromisse mehr?! Könnte passen. Dennoch habe ich nicht den Eindruck, dass ich wegen meines Alters oder meiner mir bewusster werdenden Sterblichkeit jetzt Dinge anders mache. Wenn wir schon von Krise sprechen wollen, dann ist das eine Dauerkrise namens „Leben“. Und dann ist es auch egal, ob ich nun nur nostalgisch oder doch verzweifelt bin. Ich habe Bock darauf, mein Hobby, meine Website wieder aufleben zu lassen. Gerade mit dem Vorzeichen der güldenen Swinger-Club-Regel: Alles kann, nichts muss.

