Wenn ein Spiel noch größer ist als seine Geschichte, nicht weniger war als eine Zeitenwende und weiterhin Millionen Fans auf der ganzen Welt hat, dann kann es sich fast nur um Final Fantasy VII handeln. Einst ein Grafikwunder, heute noch immer ein nie erreichter Klassiker. Und für mich das beste Spiel aller Zeiten!
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Worum geht’s?
Der ehemalige Elite-Soldat Cloud schließt sich auf Bitten seiner Jugendfreundin Tifa der Widerstandsgruppe Avalanche an. Deren Anführer Barret hat es sich zum Ziel gesetzt, den Weltkonzern Shin-Ra zu stoppen, der dem Planeten zur Energiegewinnung Mako entzieht und ihn so Stück für Stück zerstört. Neben Shinra gibt es im Kriegshelden Sephiroth aber einen weiteren Widersacher, der eigene Ziele mit Shin-Ra einerseits und Cloud und seinen Freunden andererseits verfolgt. Am Ende geht es um nichts weniger als die Rettung der Welt.
Glück im Unglück
Ich werde tatsächlich nie vergessen, was das damals für ein Gefühl war, als ich das erste Mal die Werbung für das originale FF7 im Fernsehen gesehen habe: Die Einfahrt des Zuges in den Bahnhof von Midgar. DAS soll ein Videospiel sein? Für die damaligen Verhältnisse sahen die CGI-Sequenzen geradezu fotorealistisch aus. Ich musste dieses Spiel einfach haben. Den Vorgänger Final Fantasy VI hatte ich als US-Import auf dem SNES gespielt und geliebt. Das hier war eine andere Liga.
Um die 15 muss ich gewesen sein, und ich habe Weihnachten herbeigesehnt. Dann sollte ich FF7 endlich bekommen. Und als ich es in den Händen hielt, war ich tatsächlich erst enttäuscht: Denn meine Eltern hatten irgendwie nicht die deutsche Version, sondern den UK-Import erwischt. Wie ich dann im Nachgang erfahren habe, war die deutsche Übersetzung aber völlig verhunzt. Glück im Unglück. Es tat dem Spielspaß von Anfang an keinen Abbruch.
Pixel vs. Pixel adé
Als ich damals die erste der drei CDs eingelegt und den Start der „Bombing Mission“ selbst erlebt habe, war es um mich geschehen. Die Grafik: nur phänomenal. Die vorgerenderten Hintergründe hatten eine unfassbare Cyberpunk-artige Welt geschaffen. Untermalt von einem nie gehörten Soundtrack, sodass man Midgar, die Slums von Sektor 5 beinahe fühlen konnte. Lange vor Sprachausgabe, hochauflösender 3D-Grafik und sogar noch mit dem Steuerkreuz (!) manövrierte ich die Polygone um Cloud, Barret und Co. nicht nur aus der Ferne. Ich war mittendrin, wie es nur ein Kind sein kann, dessen Wünsche zu Weihnachten erhört wurden.
Die rundenbasierten Kämpfe erzeugten eine nie dagewesene Dynamik. Da kämpften nicht nur ein paar Pixel links gegen ein paar andere Pixel rechts, sondern man wurde geradezu hinein gesogen. Die Kamera wechselte ständig den Fokus, man sah Gesichter und Hände und sogar unterschiedliche Waffen.
Spielen als ob es kein Morgen gäbe
Und dann: Der erste Aufruf der Esper in Form von Ifrit hat nicht nur die Gegner hinweggefegt, sondern mich gleich mit. Nachhaltig. Natürlich wurde man gerade der nicht enden wollenden Esper-Sequenzen irgendwann überdrüssig. Dass man sie vielleicht auch einmal abkürzen können sollte, auf die Idee kamen die Entwickler von Squaresoft erst mit FF8. Natürlich verstehe ich die jüngere Generation, die heute über die Pixelhaufen lachen, die einst auf dem Röhrenfernseher noch so grandios ausgesehen haben. Und natürlich war die Steuerung abseits der Kämpfe hakelig ohne Ende. Aber hier wurde technisch ein Stück Videospielgeschichte geschrieben.
Damals ahnte ich das vielleicht, aber es war mir egal, denn ich habe nur gestaunt. Ich bin durch das Spiel gerast, als wenn ich es zum Neujahr wieder hätte abgeben müssen.
Längster Bosskampf der Geschichte
Nach etwa 60 Stunden Spielzeit bin ich damals alles andere als overpowered in den Abgrund gestiegen, um das Finale zu spielen. Um mich einer ganzen Reihe schier übermächtiger Gegner entgegenzustellen. Jeder einzelne ein anstrengender Kampf. Und als ich dachte, den richtigen, also jetzt wirklich den finalen Endboss nach – ungelogen – 1,5 Stunden (!) in die ewigen Abgründe geschickt zu haben, kam nicht nur die nächste Inkarnation.
Mit ihr ertönte auch das großartigste Musikstück dieser Epoche: „One Winged Angel“ war das i-Tüpfelchen, das ein unfassbar geniales Spiel zu einer Legende gemacht hat. Der orchestrale Soundtrack war vorher schon eine Wucht, doch als der lateinische Chor eingesetzt hat: Gänsehaut. Bis heute.
Gut gegen Böse, aber…
Spätestens da war klar, dass eine Zeitenwende stattgefunden hat. Dass Videospiele so viel mehr sein können als auf Knöpfe zu drücken und durch die Gegend zu hüpfen. Hier wurde eine ganz neue Art des Geschichtenerzählens präsentiert. Und bei all der technischen Innovation seinerzeit, geblieben ist bis heute die Geschichte. Im Kern zwar wie so oft eine klassische Geschichte von Gut gegen Böse: Der Held und seine Freunde erst gegen den übermächtigen Konzern, dann gegen den als Gott inszenierten Oberschurken.
Dazu passt natürlich einer der schockierendsten Momente der Videospiel-Ära: Bereits am Ende der ersten CD wartete der vollkommen unerwartete und überraschenderweise auch dauerhafte Tod eines Hauptcharakters. Aber nicht nur irgendeines, sondern man hat die freundlichste, die hoffnungsvollste Figur aus dem Spiel genommen. Aerith war weg. Und sie kam einfach nicht wieder. Die ganze Tragik des Ganzen hat sich mir aber erst so richtig ab dem zweiten Durchlauf erschlossen.
Ein Held, der keiner mehr sein will
Wenn man sich die Zeit nimmt, die Welt zu erkunden, die Sidequests mitnimmt und weitere Perspektiven durch Geheimcharaktere erhält, erst dann offenbart sich die ganze Größe dieser Geschichte, die meines Erachtens auch heute ihresgleichen sucht. Die Parabel auf einen wegen Wirtschaftsinteressen und Größenwahn heruntergerockten Planeten kommt mir heute reichlich zynisch vor.
Mit 15 oder 16 und in den damaligen Folgejahren habe ich aber ganz andere Aspekte von FF7 und seiner Welt Gaia lieben gelernt: Die Geschichte des Helden Cloud, der keiner ist, der nicht einmal mehr einer sein will, sondern letzten Endes nur auf der Suche nach sich selbst ist. Die Aufopferungsbereitschaft von Tifa, die Cloud um jeden Preis retten will. Der Wunsch nach Wiedergutmachung von Barret, der für seine Tochter eine bessere Welt herbeisehnt. Und selbst die vermeintlichen Antagonisten von Shin-Ra, speziell das Bromance-Duo Rude & Reno, sind zumeist nicht das personifizierte Böse, sondern schlicht Soldaten in einem Krieg.
FF7 bis zum Abwinken
Diese Vielschichtigkeit hat mich damals beeindruckt wie geprägt. Eingerahmt von vielen unerwarteten Einflüssen: nordische Mythologie, buddhistische Elemente, New-Age-Perspektiven. Das war und ist nicht nur ein Spiel, sondern großes, selbst erlebbares Kino, das dank des neuen technischen Rahmens zum ersten Mal nicht nur im Kopf stattgefunden hat. Der absolute Wahnsinn.
Jahre nach dem Originalspiel kam mit Advent Children ein großartiges Sequel als Film. Die Vorgeschichte wurde auf der PSP mit Crisis Core erzählt – die PSP habe ich mir extra dafür gekauft. Ebenso wie ich die PS4 in erster Linie für das lang erwartete FF7 Remake erworben habe. Und Jahre später war dann die PS5 ein Pflichtkauf für Rebirth – den zweiten Teil der Remake Trilogy. Ich liebe sie wirklich alle (außer den PS2-Shooter Dirge of Cerberus…) – ich kehre unglaublich gerne nach Midgar zurück, doch der Ursprung Final Fantasy VII ist und bleibt für mich das Nonplusultra.
MADDIN MEINT
Egal, wie viele Spiele ich gespielt habe und noch spielen werde, das originale FF7 wird für mich auf ewig das Maß aller Dinge bleiben. Natürlich ist das ein Stück weit nostalgisch verklärt, aber nie zuvor und selten danach hat mich eine Geschichte so sehr gepackt. Aerith hat mich gelehrt, dass man weinen kann und die Hoffnung nie stirbt, Tifa hat mir gezeigt, dass man sich bis zur Selbstaufgabe um andere kümmern kann (aber nicht sollte), und Cloud hat mir bewiesen, dass man seine Dämonen nur besiegen kann, wenn man sich ihnen stellt. Die technische Umsetzung war einmal episch, die Geschichte ist es noch immer. FF7 ist für mich immer wieder ein digitales Zuhause, das seinesgleichen sucht.
Cloud bleibt. In mir, auf der Speicherkarte, im Herzen und neuerdings auch auf meiner Haut.

