Ich bin nicht verheiratet. Ich habe keine Kinder. Und, Spoiler: Es ist gar nicht so schlimm, wie manche meinen. Deswegen zu behaupten, ich hätte keine Familie, ist aber vermessen – und falsch. Denn meine Familie sieht schlicht anders aus.
Der Lebensplan
Als ich auch auf dem Papier noch ein junger Mann war, glaubte ich, dass der Nachwuchs schon von alleine kommen wird. Also nicht im Sinne von unbefleckter Empfängnis oder nach dem Storch-Prinzip, sondern, dass sich das einfach irgendwann ergeben wird. Entweder weil man gemeinsam eine Entscheidung getroffen hat („jetzt ist es so weit!“) oder weil die Verhütung andere Pläne hatte und man das dann umdeutet („Zeichen des Schicksals!“).
Ich kann dem Fortpflanzungsakt zwar durchaus etwas abgewinnen, aber dieser unbedingte Drang, Kinder zu zeugen, war ebenso nie vorhanden wie das Gefühl, dass etwas im Leben fehlt. Der Gedanke war eher: „Wenn’s passiert, passiert’s eben.“ Aber dass ein Mini-Me nun zwingend zum eigenen Lebensplan gehört hätte, muss ich klar verneinen. Daran hat sich bis heute wenig geändert.
Auf gar keinen Fall
Auch zum Start und im Laufe der aktuellen Beziehung waren Kinder natürlich ein Thema. Partnerschaften ab einem gewissen Alter verlangen danach, solche Gespräche zu führen, um abzustecken, ob man überhaupt in dieselbe Richtung blickt, wenn man mal aus der Horizontalen in die Vertikale wechselt. Damals hatten wir das beide ähnlich gesehen. „Irgendwann mal, wenn’s passt“ ist wohl der einigende Duktus gewesen, weder „Nein“ noch kategorisches „Ja“, sondern irgendwas dazwischen ohne jeglichen Druck.
Mittlerweile sind wir zehn Jahre weiter. Aus dem wenig involvierten „irgendwann vielleicht“ ist eine gemeinsame Entscheidung aus „nee, eher nicht“ bis „auf gar keinen Fall“ geworden. Und das ist für mich vollkommen okay. Es sprechen vielleicht ein paar Gründe dafür, Kinder in diese Welt zu setzen, für mich ist die Contra-Liste aber wenig erstaunlich deutlich länger. Ich bin einfach nur jemand, der sein Leben auch ohne Nachwuchs ganz okay findet.
Welt im Krisenmodus
Ob man nun an den menschengemachten Klimawandel glauben möchte oder ihn für „grüne Propaganda“ halten will (in dem Fall hätten die Grünen die schlechteste PR-Abteilung der Welt), ist tatsächlich erst einmal vollkommen egal. Denn er kommt. Und er wird uns als Menschheit vor Herausforderungen stellen. Ich kann nachvollziehen, dass man dem Traum nachhängt, dass alles nicht nur so bleiben soll, wie es ist, sondern besser. Der Mensch mag keine Veränderungen, schon gar keine Beeinträchtigungen der gewohnten Lebensweise, und da bin ich keine Ausnahme.
Mit etwas Glück werde ich, werden wir hier in Deutschland zu meinen, unseren Lebzeiten wenig davon mitbekommen (wenn man sich an Tornados, Dürren und Überflutungen ein Stück weit gewöhnen kann). Das würde aber sehr wahrscheinlich nicht mehr für meine, für unsere Kinder gelten. Die globale Unsicherheit geht auch zukünftig mit Kriegen, Ressourcenkämpfen und Naturkatastrophen einher, vom politischen Rechtsruck und permanentem Hass ganz zu schweigen.
Keine Kinder = Keine Ahnung?
Das möchte ich einem Geschöpf, das ich potentiell mehr lieben würde als alles andere, einfach nicht zumuten. Und mir tatsächlich auch nicht. Der Gedanke, dass mein Kind mit hoher Wahrscheinlichkeit keine strahlende Zukunft vor sich hat, weil die Welt noch abgefuckter ist als heute, ist nicht gerade ermutigend.
Was ein bisschen nervt, sind die seltenen mitleidigen Blicke, wenn ich erzähle, kein Vater zu sein. Für manche ist der Satz „Ich habe keine Kinder“ gleichbedeutend mit „Ich habe keine Ahnung vom Leben“, womit diese Leute ziemlich viel über sich selbst aussagen. Vielleicht verpasse ich etwas, ja, aber dann verpasse ich auch schlaflose Nächte, tausend Krankheiten und Tobsuchtsanfälle in der Süßwarenabteilung. Obwohl ich mich kaum beschweren kann, denn als Mann ist es weiterhin deutlich legitimer, sich nicht fortzupflanzen. Ich verpasse vielleicht etwas, aber mein Lebenszweck wird dadurch – anders als bei vielen Frauen – nicht völlig infrage gestellt.
Wunsch nach Freiheit
Dabei ist es in den meisten Fällen ein Leichtes, sein Erbgut weiterzutragen. Es ist keine Leistung, es ist Biologie. Die Herausforderung ist es, gute Eltern zu werden. Das ist sogar ein Punkt, den ich mir persönlich durchaus zutrauen würde. Jedoch überwiegt der Wunsch nach Freiheit. Es ergibt wenig Sinn, diese für etwas aufzuopfern, was nicht unbedingt zu meinem großen Plan des Lebens gehört. Und ohne ein hundertprozentiges Commitment wäre es auch der Nachkommenschaft gegenüber nicht fair.
Es reicht mir bereits, mein eigenes Chaos in halbwegs geordnete Bahnen zu wissen. Mit Partnerschaft, Haushalt, gesellschaftlichen Verpflichtungen und einem Vollzeitjob bleibt so schon nicht wahnsinnig viel Freizeit übrig. Wenn ich nicht mindestens regelmäßig meinen Hobbys nachgehen kann, werde ich nicht glücklich. Ich will zwischendurch Binge-watching betreiben, auf der Konsole daddeln, ins Stadion gehen, Party machen, wenn mir der Sinn danach steht, ohne das groß monatelang planen zu müssen und auf andere angewiesen zu sein.
Kinder nur in homöopathischen Dosen
Aber nicht nur der Spaßaspekt ist mir da wichtig, sondern auch das Arbeiten, wie und wann es sein muss. Ich habe meist keinen klassischen 9-to-5-Job bzw. interpretiere diesen nicht so, da die Projektarbeit einfach ein bisschen mehr Flexibilität erfordert. Mal erst am späten Abend nach Hause kommen oder am Wochenende am Schreibtisch sitzen? Bestimmt auch mit Brut zuhause möglich, aber ob das fair und schön ist, steht dann auf einem anderen Blatt.
Ich habe prinzipiell nichts gegen Kinder. Die Kinder von Freunden mag ich auch – in homöopathischen Dosen. Ich freue mich einfach für sie, wenn sich ihre Wünsche erfüllen. Teil dieses Zirkus‘ möchte ich aber trotzdem nicht werden. Und allgemein empfinde ich es als Unverschämtheit, wie Politik und Gesellschaft mit Kindern und dem pädagogischen Personal umgehen.
Kinderlos und trotzdem Familie
Aus meiner Perspektive würde am ehesten ein Aspekt aus Idiocracy für Kinder sprechen: Während sich die Idioten wie die Karnickel vermehren, setzt die intellektuelle Elite einfach zu wenig Nachwuchs in die Welt, weshalb die globale Intelligenz langsam, aber sicher ausstirbt. Ich bin zwar ein großer Fan von „Sei Du selbst die Veränderung, die Du Dir für diese Welt wünschst!“, aber hier sind Hopfen und Malz wahrscheinlich bereits verloren.
Kinderlos also. Trotzdem nicht alleine. Neben meiner Liebsten gibt es in meinem Zuhause auch noch zwei wahnsinnig süße und anhängliche Kater. Kein Kindersatz, aber Teil meiner kleinen Familie, für die ich da bin, um die ich mich kümmere, die mir alles bedeutet. Aber ich will mich gar nicht dafür rechtfertigen, auch ohne Kinder zufrieden zu sein.
Denn ich bin ja nicht gegen Kinder. Ich bin nur für die Freiheit, keine haben zu wollen.

