An welchem Punkt wird ein Film Kult, auch wenn er nach objektiven Maßstäben nicht gut ist? Oder wird er erst gut, weil er Kult geworden ist? An Der blutige Pfad Gottes scheiden sich die Geister. Ein Selbstjustiz-Thriller mit religiösem Background. Klingt fürchterlich, ist aber trotzdem grandios.
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Worum geht’s?
Die zwei irischen Brüder Connor (Sean Patrick Flanery) und Murphy MacManus (Norman Reedus) geraten nur durch Zufall am St. Patrick’s Day mit der russischen Mafia aneinander. Nach einer schmerzhaften Tracht Prügel und zwei toten Russen wird der FBI-Agent Paul Smecker (Willem Dafoe) einbestellt, der die beiden Jungs aber wegen Notwehr für unschuldig hält. Was er aber noch nicht weiß: Die beiden gläubigen Brüder hatten in Polizeigewahrsam eine gemeinsame Vision, die ihnen Rache an der Bostoner Unterwelt aufträgt…
Gerechtigkeit?
Pazifismus hin oder her, ich glaube, jede und jeder hatte in Anbetracht der Ungerechtigkeit der Welt irgendwann mal das Bedürfnis zu sagen, dass Kinderschänder, Drogenhändler und Mörder nicht mehr Teil der Gesellschaft sein sollten. Und wenn sich die Justiz damit schwertut, weint man den Übeltätern keine Träne nach, wenn sie auf die eine oder andere Weise das Zeitliche segnen.
Im Großen und Ganzen spielt Der blutige Pfad Gottes (im Original: The Boondock Saints) genau mit diesem Bild. Denn vermutlich haben die meisten nichts dagegen, wenn böse Menschen einfach nicht mehr da sind. Untermauert wird das Ganze durch katholisch-christliche Visionen, die dem Unterfangen eine religiöse Legitimation verleihen sollen.
Gottes Ruf
Mit der katholischen Kirche habe ich persönlich zwar nun auch nichts am Hut, aber mit der dahinter stehenden Logik, die sich (theoretisch) folgendermaßen zusammenfassen lässt: Sei ein netter Mensch und kein Arschloch! Stiehl nicht, töte nicht, und sei ja nett zu Deinen Mitmenschen. Ein Credo, nach dem ich versuche zu leben. Und ähnlich ergeht es den MacManus-Brüdern, bis sie halt Gottes Ruf hören und damit alles legitimieren.
Das Schöne an diesem Film ist, dass man Selbstjustiz an sich gar nicht gutheißen muss, um trotzdem Gefallen daran zu finden. Toll zu sehen, dass schlechten Menschen auch Schlechtes widerfährt, das fühlt sich halt einfach gerecht an. Und erst im nächsten Schritt kommen die Zweifel zutage.
Im Zweifel für den Angeklagten?
Denn wer könnte bitte Mord, Drogenhandel und Vergewaltigung gutheißen? Eben. Das tun nur Mörder, Drogenhändler und Vergewaltiger. Im Film ist alles höchst eindimensional dargestellt, das vereinfacht den Prozess und ist wohl auch der Grund, weshalb er lange Zeit auf dem Index stand.
Ein Stück weit der Aufklärung bietet der Film im Abspann selbst: Denn hier kommen vermeintlich authentische Stimmen der Bevölkerung Bostons zum Tragen, die die Taten der Heiligen (Saints) einordnen – und das schwankt zwischen totaler Verherrlichung und absoluter Ablehnung. Niemand steht über dem Gesetz, oder?
Ohne Abspann zählt es nicht
Zu Der blutige Pfad Gottes gehört halt auch der Abspann, und der offeriert genug über die Ambivalenz des Gezeigten. Zurecht findet sich der Film nicht mehr auf dem Index wieder. Selbstjustiz abfeiernd ist er – eigentlich -, aber spätestens durch den Abspann auch meines Erachtens einordnend.
Denn der Struggle ob gesetzlicher und moralischer Grenzen ist allgegenwärtig. Auch ich als Fan des Rechtsstaats stoße naturgemäß an meine Grenze des Erträglichen. Und das war vor einem Vierteljahrhundert (1999) offenbar nicht anders.
Highlight: Willem Dafoe
Abgesehen davon ist Norman Reedus als halbwegs unbeleckter MacManus-Bruder natürlich ein Hingucker. Lange, bevor er zu Daryl Dixon in The Walking Dead unsterblich wurde; ich zumindest zumindest sehe ihn trotzdem sehr gerne. Das eigentliche Highlight ist aber ganz eindeutig Willem Dafoe als FBI-Agent Paul Smecker, der einfach alle Register zieht, indem er ganz intuitiv die jeweiligen Tatorte erklärt.
Visuell lebt der Film von stilisierter Gewalt, schnellen Schnitten und einem rauen 90er-Indie-Look, der Haltung über Feinzeichnung stellt. Meines Erachtens: Kompromissloses Kino – und genau deshalb bis heute so wirksam.
MADDIN MEINT
Falls Karma existiert, ist es hier omnipräsent. Denn wer böse ist und wer nicht, ist relativ klar ersichtlich. Selbstjustiz in ikonisch und selbstbeweihräuchernd – muss man wahrscheinlich mögen. So simplifizierend es auch sein mag: Ich mag es total!

