An der Kinokasse gab es wenig zu holen, aber schon wenige Jahre später avancierte Fight Club zum absoluten Kultfilm und hat den Status inne, den sich alle Beteiligten redlich verdient haben: ein absolutes Meisterwerk zu sein. Nicht weniger als das und viel mehr ist der David-Fincher-Film für mich. Eine Liebeserklärung.
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Worum geht’s?
Ein Bürosklave (Edward Norton) findet in seinem Leben einfach keine Erfüllung und leidet unter Schlaflosigkeit. Sein Arzt nimmt ihn nicht ernst, empfiehlt aber den Besuch von Selbsthilfegruppen, um mal „echtes Leiden“ zu sehen. Das hilft tatsächlich, da er süchtig wird nach dem Gefühl, nicht mehr alleine zu sein, aber auch nur so lange bis mit der kaputten Marla Singer (Helena Bonham Carter) eine weitere Elendstouristin auf den Plan tritt. Dann explodiert auch noch sein Appartement und sorgt dafür, dass er beim charismatischen Tyler Durden (Brad Pitt) einzieht, mit ihm den ersten „Fight Club“ gründet, in dem sich Männer wie Du und ich prügeln, und sein Leben von Grund auf neu gestaltet.
Gentlemen, willkommen im Fight Club!
Die erste Regel lautet, man darf kein Wort darüber verlieren.
Die zweite Regel lautet, man darf kein Wort darüber verlieren.
Die ersten beiden Regeln haben schon lange Einzug in die Popkultur gefunden, und ich schäme mich höchstens ein bisschen, diese in aller Regelmäßigkeit zu brechen.
Fight Club basiert auf dem Debütroman von Chuck Palahniuk und hat damals den Zeitgeist einer ganzen Generation von jungen Männern eingefangen: Frustration, Enttäuschung, Angst –
nicht zu wissen, wo der eigene Platz in einer sich immer schneller drehenden und dem Kapitalismus frönenden Welt ist. Das Fass mit der überbordenden toxischen Maskulinität will ich gar nicht erst aufmachen.
Vordergründig hauen sich Männer gegenseitig auf die Schnauze, und da macht David Fincher wirklich wenige Gefangene. Aber das ist nur die Oberfläche des wuchernden Abgrunds und Wahnsinns, der sich bei näherer Betrachtung auftut. Ein Vierteljahrhundert ist bereits vergangen, seitdem Fight Club an den Kinokassen selbst auf die Bretter geschickt wurde. Aber an Zeitlosigkeit und Aktualität hat der Film nichts eingebüßt. Was allerdings als mahnende Aussicht verstanden werden konnte, wohin die schleichende Fehlentwicklung der Gesellschaft führen wird, begreift man mittlerweile vermutlich eher als vorauseilende Pseudodokumentation.
Es werden keine Fragen gestellt
Fight Club hatte damals den Finger in die Wunde einer globalisierten, konsumorientierten Welt gelegt, und selbst in den pessimistischsten Momenten wirkt das Gezeigte retrospektiv beinahe naiv und beschönigend. Der Kampfklub im Untergrund, der daraus resultierende Führerkult um Tyler Durden, dem blind gefolgt werden muss – Sir, die erste Regel des Projekt Chaos lautet: es werden keine Fragen gestellt, Sir -, all das wirkte seinerzeit überzeichnet und heute beinahe wie ein einfaches Abziehbild der Postmoderne.
Faschistoide Tendenzen sind nicht mehr nur auf die deutsche Vergangenheit oder irgendwelche Schurkenstaaten begrenzt, sondern zeigen sich mittlerweile an höchst prominenter Stelle in den Parlamenten auch des sich stets moralisch erhaben fühlenden Westens. Abgrenzung und permanente Grenzüberschreitung sind infolge einer Polarisierungsmaschinerie durch alle Gesellschaftsbereiche hindurch salonfähig geworden. Tyler Durden hätte wahrlich seine Freude daran, zu erkennen, wie einfach sich die Massen instrumentalisieren lassen.
Vielschichtiger als eine Zwiebel
Allerdings ist dies alles auch nur ein Teilaspekt der Lesart des Films, der nicht nur irgendwas zwischen Thriller und Drama ist, sondern ebenfalls als Gesellschaftssatire, schwarze Komödie – und ja auch – durchgeknallte Romanze durchgehen kann. Im Kern geht es aber so oder so um fragile Männlichkeit. Das ganze Brimborium passiert nämlich nur, weil ein Mann nicht imstande ist, einer Frau seine Gefühle mitzuteilen. Selbst Tyler Durden ist nicht der steinharte Revoluzzer, wenn man ihn durchleuchtet und auf Details achtet.
Natürlich sind diese ganzen Interpretationen nicht auf Anhieb zu erkennen. Wenn ich könnte, würde ich Fight Club gerne noch einmal ein erstes Mal sehen. Er hat mich damals einfach weggebügelt, wie es davor und danach kein Film mehr geschafft hat. Ich habe nicht mitgezählt, aber wahrscheinlich bin ich schon über einhundert Mal in den Fight Club eingetreten, ich kann ihn quasi mitsprechen, und nichtsdestotrotz entdecke ich jedes Mal neue Facetten.
Where Is My Mind?
David Fincher hat in jungen Jahren nach Sieben spätestens mit Fight Club sein Meisterstück abgelegt (wann Oscar für Beste Regie, Hollywood?) und eine dichte und fesselnde Atmosphäre kreiert, die ihresgleichen sucht. Die drei Hauptdarsteller tragen die Geschichte absolut famos, wobei Edward Norton, Brad Pitt und Helena Bonham Carter ihr Drama-Dreick mit ihren komplett unterschiedlichen Rollen auf erstaunlich abartige Art und Weise miteinander in Einklang bringen.
Der Soundtrack der Dust Brothers, dieser wilde Mischmasch aus Post-Industrial und Triphop, tut sein Übriges. Und wenn am Ende des Films die ersten Klänge von „Where Is My Mind?“ von den Pixies ertönen, kriege ich jedes verdammte Mal Gänsehaut.
Ich bin Jacks vollkommen befriedigte Filmsucht!
Fight Club ist für mich persönlich Filmkunst in Perfektion, weil die Gesamtkomposition in sich absolut stimmig ist. Um ihn vollends zu greifen, muss man ihn mehrmals sehen, aber er wird einfach nicht langweilig. Es wäre wahrscheinlich übertrieben, zu behaupten, dass Fight Club mich gestützt oder gar gerettet hat, aber er hat definitiv einen Nerv getroffen und mich nachhaltig beeindruckt und auch geprägt.
Selbstredend bin ich trotz besseren Wissens zu einer Karikatur verkommen, für die Tyler Durden nur ein müdes Lächeln übrig hätte. Die Krux ist, dass auch ein Werk, das sich sehr offensiv gegen übermäßigen Kommerz positioniert, trotzdem kommerziell ausgeschlachtet werden kann. Naturgemäß bin auch ich immer für Fight-Club-Merch zu haben.
Der Ausdruck „Fanboy“ trifft daher nicht ansatzweise die Beziehung, die ich zu diesem Stück Popkultur habe. Und es wird niemanden überraschen, dass mein allererstes Tattoo Marla Singer zeigt. Das ist einfach eine Liebe, die wortwörtlich unter die Haut geht.
MADDIN MEINT
Fight Club ist für mich Filmkunst in Perfektion. Ein Werk, das mich bis heute prägt, nie langweilig wird und jedes Mal neue Facetten zeigt.
Wenn ein Film mehr als zwei Jahrzehnte nach Erscheinen so frisch und relevant wirkt, dann ist er nicht weniger als ein Meisterwerk.