Eine Redewendung besagt: Tanze, als würde niemand zusehen. Lässt sich das auch aufs Bloggen übertragen? „Blogge, als würde niemand mitlesen“? Ich muss gestehen: Bei dem Gedanken bin ich hin und her gerissen.
Komm ich jetzt ins Fernsehen?
Als ich damals meine private Homepage hatte, war mir Aufmerksamkeit relativ wichtig. Ich hatte Spaß an meinem Hobby, ich wollte mein gesamtes Online-Netzwerk daran teilhaben lassen. Mit Erfolg: Ein Kumpel hatte seinerzeit ein Praktikum bei der TV-Sendung GIGA gemacht und es dann echt geschafft, dass „MADD!N’s HOMEPAGE“ (<- ja, wirklich mit Deppenapostroph) live im Fernsehen vorgestellt wurde. Meine kleine Homepage im TV? Wie geil ist das denn?
Zusätzlich war das Diskussionsforum von einem Bekannten und mir plötzlich ziemlich gehyped, weil der Initiator einer Spaß-ICQ-Rundmail, der „den Frauen alle Rechte entziehen wollte“, die verlinkte Domain nicht gesichert hatte. Das habe ich dann erledigt und auf unser Forum weitergeleitet: Das kleine Duisburger Projekt hatte dann über Nacht hunderte User aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. Selbstredend gefiel mir auch das.
Größenwahn lässt grüßen
Zu der Zeit hatte ich auch für Videospielmagazine geschrieben. Das war kurz vor der Mainstreamisierung des Internets, und allen voran die PlayStation hatte das Thema so sexy gemacht, dass nicht mehr nur Kinder und Nerds eine Konsole haben wollten. Der Nachfolger, die PS2, stand in den Startlöchern und sollte später zur bis heute (!) meistverkauften Spielekonsole der Welt werden. Der Höhepunkt auch der Printmagazine. Unsere Auflage lag bei über 100.000 Heften. Das waren natürlich alles potentielle Leser meiner Texte. Woohoo!
Zu dem Zeitpunkt hatte ich das Gefühl, wirklich etwas bewegen und erreichen zu können. Wahrscheinlich war mein Ego nie größer, daran konnte nicht einmal ein verkacktes Abi etwas ändern. Retrospektiv sehe ich das alles natürlich ein bisschen anders. 😉 Naivität und Größenwahn gehen wohl nicht selten Hand in Hand mit dem Erwachsenwerden. Die Zweifel kommen zwar später, aber sie kommen.
Der Einäugige unter den Blinden
Immerhin kommt mit dem Alter auch die Weisheit. 😀 Die Gewissheit, dass ich damals mehr der Einäugige unter den Blinden denn der König war, ist okay für mich. Und ebenso kann ich damit leben, dass ich trotz meiner Fähigkeiten und Qualitäten heutzutage nicht mehr den vollen Durchblick in diesem Internet habe: Was damals eine nette und spannende Sache war, hat im Laufe der Jahre unser aller Leben dermaßen verändert, dass einem nur schwindlig werden kann. Das ist nicht mehr „mein“ Netz von damals.
Nichtsdestotrotz wage ich jetzt ein Stück weit den Schritt zurück in diesen Sumpf. Nicht, weil ich glaube, das besser als alle anderen zu können. Oder weil ich so viel Aufmerksamkeit haben will, um auf die alten Tage doch noch ein Influencer zu werden. Nein, es ist so viel simpler: Ich habe einfach Lust darauf. Und es macht mir Spaß.
Eckkneipe statt Wembley
Deshalb bin ich zwiegespalten. Ich mache das Ganze für mich. Ohne großen Druck. Das könnte ich auch alleine im Keller machen, ein bisschen schreiben, wie man dort seinem Modellbau nachgeht. Aber die Wahrheit ist: Als Texter will man, dass die Texte gelesen werden. Ich brauche kein großes Brimborium, das wäre mir zu viel, aber vielleicht verirrt sich der eine oder die andere ja doch zu mir, und findet Gefallen an dem, was ich mache. Manchmal stehe ich ja ganz gerne auf der Bühne. Aber eben nicht im Wembleystadion, sondern höchstens in der Eckkneipe. Nachts um zwei.
Vielleicht finden ja auch manche alten Freundschaften oder Online-Weggefährten zufälligerweise wieder den Weg hierher. Denn das war meines Erachtens damals schon die größte Stärke von diesem Internet-Neuland: Der Kontakt zu Menschen über alle Grenzen und Wahrscheinlichkeiten hinweg. Nicht weltenbewegend, aber halt ein kleines Publikum für ein kleines Projekt.

